Rohstoffe

Forschung für eine sichere und nachhaltigere Versorgung mit Rohstoffen und deren Nutzung

Mineralische Rohstoffe sind eine unverzichtbare Grundlage für die Gesellschaft. Metalle wie Kupfer und Zink, Halbmetalle wie Gallium und Indium und Industriemineralien wie Graphit und Fluorit sind unentbehrlich als Bausteine für unzählige Produkte, die das moderne Leben ermöglichen, obwohl sie im Verhältnis zur Masse nur einen kleinen Teil der größeren Rohstoffwelt ausmachen. 

Unser Geschäftsfeld hat es sich zur Aufgabe gemacht, einen Beitrag zur nachhaltigeren Nutzung und Wiederverwendung von Rohstoffen zu leisten. Mit unserer Forschung am Fraunhofer ISI versuchen wir, den gesellschaftlichen Bedarf in Bezug auf mineralische Rohstoffe systemisch und quantitativ zu verstehen, die Nachhaltigkeit und Versorgungsicherheit einzuschätzen sowie zukünftige potenzielle Bedarfe an Rohstoffen angesichts des Technologiewandels zu evaluieren. Unsere Ergebnisse liefern Daten, Einblicke und Optionen, die Stakeholder aus Politik (z.B. Parlamente, Ministerien, Behörden), Industrie (z.B. Metallerzeugerverbände, verarbeitende Gewerbe) und Zivilgesellschaft (z.B. NGOs) dabei unterstützen sollen, bessere Entscheidungen zu treffen.

Schwerpunkte in unserer Rohstoff-Forschung

Unsere Forschung legt den Fokus auf mineralische Rohstoffe. Die Notwendigkeit einer Materialwende motiviert uns, die Art und Weise, wie die Gesellschaft Ressourcen nutzt und wiederverwendet, qualitativ und quantitativ zu verstehen und weiter zu verbessern.

Rohstoffkreisläufe

Rohstoffe bilden die Grundlage unserer Gesellschaften. Ihr Weg durch die Wirtschaft wird durch den Materialkreislauf beschrieben: Gewinnung, Raffination, Halbzeug- und Endprodukte-Herstellung, die Nutzungsphase, Erzeugung, Sammlung und Verarbeitung von Schrotten und letztendlich Wiederverwertung. Globale Materialkreisläufe umfassen das gesamte Material, das aktuell von Menschen genutzt wird. Regionale Kreisläufe zeigen für jeden Abschnitt des Materialkreislaufs auf, was innerhalb einer Region genutzt wird und welche Handelsströme in die Region fließen oder die Region verlassen. Ein gutes Verständnis der Rohstoffkreisläufe ermöglicht es uns, die Ressourceneffizienz, Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit zu verbessern.

Versorgungssicherheit

Die sichere Versorgung mit Rohstoffen ist für die industrielle Produktion, den Lebensstandard und für die Transformation zur nachhaltigen kohlenstoffarmen Wirtschaft unerlässlich. Durch die zunehmende Abhängigkeit von fortschrittlichen Technologien, erneuerbaren Energien und Elektromobilität ist die Nachfrage nach Rohstoffen stark gestiegen. Die Sicherheit und Resilienz der Mineralienlieferketten hängen von gut informierten Entscheidungsträger:innen in Politik und Wirtschaft sowie von einer engagierten Öffentlichkeit ab. Die Identifizierung von Versorgungsrisiken und kritischen Rohstoffen ermöglicht Risikominderung und Resilienz. Unser Geschäftsfeld befasst sich mit der Einschätzung von kurzfristigen und langfristigen Risiken und Trends des Rohstoffsektors und spielt eine zentrale Rolle bei der Diskussion um die Abschätzung kritischer Rohstoffe.

Technologischer Wandel und Rohstoffe

Die umfassende Verbreitung und Annahme neuer Technologien beeinflusst die Rohstoffnachfrage entscheidend, denn die Nachfrage nach Produkten oder Technologien ist direkt an die Rohstoffbedarfe gekoppelt. Anschauliche Beispiele sind der Durchbruch von Flachbildschirmen um die Jahrtausendwende, durch den sich die Indiumproduktion vervielfachte, und der derzeitige Andrang auf Batterierohstoffe wie Lithium und Kobalt. Ausgehend von Materialprofilen einzelner Technologien quantifizieren wir die Auswirkungen von technologischem Wandel auf die Rohstoffnutzung (Was, Wie viel, Wann). Wir nutzen Expert:inneninterviews und Workshops zur Erfassung und Validierung von Daten und Annahmen. Materialflussanalysen erlauben es, die Lebenszyklen verschiedener Produkte möglichst differenziert zu analysieren, und quantitative Zukunftsszenarien zu integrieren.  

Instrumente zum systemischen Verständnis der Versorgung und Nutzung von Rohstoffen

Unsere Instrumente umfassen sowohl qualitative als auch quantitative Methoden. Wir verwenden eine Kombination dieser Ansätze, um die Vielseitigkeit des Rohstoffsektors effektiv anzugehen. 

  • Die Materialflussanalyse (MFA) hat ihren Ursprung in den Ingenieurwissenschaften, wo sie zur Verfolgung von Stoffen durch industrielle Systeme und Prozesse eingesetzt wird. Ende der 1960er Jahre wurden die Grundlagen zur Verfolgung von Materialflüssen und -beständen in einem chemischen Reaktor auf die physischen Materialflüsse und -bestände im anthropogenen Stoffkreislauf übertragen. Die Bausteine der MFA sind Flüsse (Materialtransport), Prozesse (Materialumwandlung) und Bestände (Materiallager). Das Hauptprinzip ist die Massenerhaltung im betrachteten System. Seit den 1960er Jahren hat sich MFA zu einem der wichtigsten Instrumente der industriellen Ökologie auf der Makroebene entwickelt.  

    Bei der materialfokussierten MFA wird ein bestimmter Werkstoff durch ein definiertes System verfolgt, z.B., der Kupferkreislauf innerhalb der Europäischen Union. Die technologie- oder produktfokussierte MFA quantifiziert die Flüsse und Bestände aller oder zumindest mehrerer miteinander verbundener Materialien, z.B. Rohstoffe innerhalb des deutschen Energiesystems.

    Rohstoffe in Handelsströmen sind ein wichtiger Teil der regionalen MFA. MFA-Studien können für einen bestimmten Zeitpunkt durchgeführt werden – statische MFA – oder als dynamische MFA einen größeren Zeitraum abdecken. Letztere haben einen wesentlich höheren Datenbedarf. Die dynamische Analyse von Materialflüssen und -beständen ermöglicht jedoch die Identifizierung von Ausreißern oder kurzfristigen Effekten und die Beobachtung von Entwicklungen im Zeitverlauf. Die dynamische MFA bietet zudem die Methodik, um Zukunftsszenarien aus historischen Entwicklungen zu erstellen.

    MFA ist ein wichtiges Instrument zur Bewertung der Nachhaltigkeit der Materialnutzung in unserer Gesellschaft. Der Ursprung der Nachfrage und die Angebotsquellen werden sichtbar gemacht. Deshalb ist die MFA oft eine grundlegende Methodik für Kritikalitätsbewertungen. Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft von Rohstoffen können dadurch ebenfalls untersucht werden. MFA ermöglicht die Bewertung des Urban Mining als Materialquelle für aktuelles und zukünftiges Recycling. Recyclingströme können quantifiziert werden, ebenso wie bisher ungenutzte Recyclingpotenziale, was zur Berechnung von Recyclingquoten für unterschiedliche Zwecke führt.

  • Die Versorgungssicherheit von Rohstoffen ist ein abstraktes Konstrukt. Wenn Versorgungsunterbrechungen auftreten, ziehen sie meist großes Interesse auf sich. Solche Ausfälle sind erfreulicherweise selten, was allerdings auch bedeutet, dass es keine solide empirische Datenbasis als Grundlage für klassische statistische Analysen gegenwärtiger und zukünftiger Risiken gibt. Stattdessen greift man zur Bewertung des Versorgungsrisikos und der damit verbundenen zu erwartenden Schäden als Annäherung auf verfügbare Indikatoren zurück. Zudem muss man beachten, dass sich die Wahrnehmungen der Risiken je nach Akteur und Betrachtungssystem deutlich unterscheiden können. Zur Bewertung der Rohstoffversorgungssicherheit, oder Rohstoffkritikalität, wurden daher viele unterschiedliche Ansätze entwickelt. 

    Die meisten Kritikalitätsmethoden, wie auch die der EU, definieren Kritikalität als das systemische Risiko, das von den beiden Dimensionen »Versorgungsrisiko« und »wirtschaftliche Bedeutung« aufgespannt wird. Dabei beschreibt das Versorgungsrisiko die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem Versorgungsengpass kommt, und die wirtschaftliche Bedeutung die Auswirkungen des potenziellen Versorgungsengpasses auf das betrachtete System. Meist werden Rohstoffe dann als kritisch eingestuft, wenn ihnen sowohl ein hohes Versorgungsrisiko als auch eine hohe wirtschaftliche Bedeutung zugeschrieben wird. 

    Unter Berücksichtigung dieser Prinzipien und ihrer Feinheiten bewerten wir bestehende Kritikalitätsbewertungsmethoden, entwickeln und wenden maßgeschneiderte Methodiken für verschiedene Stakeholder und Anwendungen an und untersuchen die Zusammenhänge zwischen Rohstoffkritikalität und anderen Themenfeldern wie dem Übergang zu einer zirkulären Wirtschaft (»Kreislaufwirtschaft«), der Energie- und Mobilitätswende oder der Industriepolitik.

  • Ein fundiertes Verständnis der Rohstoffkreisläufe bildet die Grundlage für die meisten unserer Studien. Diese Gesamtsystemanalyse baut auf historischen und gegenwärtigen quantitativen Untersuchungen auf, wie beispielsweise dynamischen Stoffflussanalysen, Handelsdatenanalysen oder Kritikalitätsbewertungen. Neben diesen rückblickenden Analysen stellen sich viele Fragen in Bezug auf die zukünftige Entwicklung der Rohstoffkreisläufe. Damit verbunden sind Fragen wie:

    • Welche Art und Menge an Rohstoffen werden wir zukünftig brauchen?
    • Wie wird sich der Technologiefortschritt auf zukünftige Rohstoffkreisläufe auswirken?
    • Wie hoch wird das zukünftige Angebot mit Sekundärrohstoffen und der entsprechende Bedarf an Rohstoffgewinnung sein?

    Um diese Fragen zu beantworten, verwenden wir quantitative Szenarien. Verschiedene Entwicklungspfade werden bewertet und miteinander verglichen, um die Auswirkungen externer Faktoren zu untersuchen. Auch wenn die tatsächliche Zukunft unbekannt bleibt, eröffnet der Vergleich verschiedener Szenarien das Spektrum möglicher zukünftiger Rohstoffkreisläufe. Viele dieser Studien verwenden Hintergrundszenarien für externe Faktoren wie Bevölkerungszuwachs oder Wirtschaftslage. Darüber hinaus umfassen die quantitativen Szenarien Bewertungen von Zukunftstechnologien (z.B. Energiewende, Recyclingtechnologien) und deren Quantifizierung (z.B. Veränderung von Prozesseffizienzen, Nachfrage usw.).

  • Die Geologie bestimmt, wo mineralische Rohstoffe gewonnen werden; die Industriestandorte, wo sie in Produkte umgewandelt werden; und die Ballungsräume, wo sie letztendlich genutzt und entsorgt werden. Letzteres ist eine potenzielle Quelle des Recyclings. Dies führt zu internationalen Strömen von Rohstoffen, den Produkten, in denen sie eingebettet sind, und den Abfällen, die am Ende ihrer Nutzungsphasen anfallen.

    Die Analyse von Außenhandelsdaten erlaubt uns, diese Ströme zu verfolgen und die globalen Netzwerke von Produktion und Verbrauch qualitativ besser zu verstehen und sie quantitativ abzuschätzen. Wir verwenden primär eine aktuelle interne Version der UN COMTRADE-Datenbank, die es uns ermöglicht, komplexe Abfragen zu Handelsströmen im Zeitverlauf und über alle Länder dieser Welt hinweg zu stellen. Die Handelsströme verbinden wir mit unseren Kenntnissen über den Rohstoffgehalt der Produkte. Diese Analysen sind in sich nützlich (z.B. Verfolgung globaler Kupferströme entlang aller Nutzungsphasen) oder auch als Teil umfassenderer Bewertungen, wie Kritikalitätsanalysen (bei denen die Importabhängigkeit ein wichtiger Faktor ist) oder regionale Materialfluss- und -bestandsmodelle (bei denen Rohstoffe in verschiedenen Formen, von Erzen über Produkte bis hin zu Schrott, importiert und exportiert werden).

  • Die meisten Studien, die im Geschäftsfeld Rohstoffe erstellt werden, umfassen Gesamtsysteme inklusive einer Vielfalt an Lebenszyklusphasen, Rohstoffen, Produkten und Prozessen. Unsere Kompetenz liegt darin, Informationen und Daten von der Mikroebene in ein Gesamtbild auf der Makroebene zu übertragen. Wir benötigen also spezifisches Fachwissen aus vielen verschiedenen Bereichen – eine Kompetenz, die eine einzelne Forschungsgruppe nicht leisten kann. Deshalb ziehen wir Expert:innen hinzu, um die aktuellen und detaillierten Informationen auf der Mikroebene zu erfragen. Diese können wir dann in unsere Abschätzungen auf der Makroebene einbauen. Die Interaktionsformate sind Einzel- oder Kleingruppeninterviews mit Expert:innen sowie Workshops. Wir greifen dabei auf unser umfangreiches Netzwerk von Expert:innen aus Wissenschaft, Industrie und dem öffentlichen Sektor zurück. Konkrete Ziele sind die Sammlung rohstoffbezogener Informationen und relevanter Daten sowie die Validierung von Annahmen und Ergebnissen.